Kulturpolitik AGKV intern

«Uns braucht es genauso wie den Bauernverband»

Daniel Hertli und Susanne Slavicek vom Aargauer Kulturverband AGKV im Gespräch über die Wertschöpfungskette von Kultur und die Aufgaben des Verbands.

30. November 2025

Daniel, Du hast auf Ende Jahr die Geschäftsführungsstelle beim AGKV gekündigt. Was führte dazu?

Daniel Hertli (D): Ich habe Angebote und Möglichkeiten erhalten, die ich nicht ausschlagen konnte. Konkret übernehme ich wieder das volle Leitungspensum für den Studiengang Film an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich. Daneben habe ich eigene Kulturprojekte wie z.B. die Produktion der Hochrhein-Triennale und ein neues Filmprojekt. Da bleibt mir leider nicht mehr genügend Zeit für den Geschäftsleiterjob. Ich bleibe dem AGKV aber verbunden und werde mich weiter für die Kultur im Kanton einsetzen.

Susanne, Du übernimmst nun ab Anfang 2026 die administrativen Aufgaben des AGKV. Was heisst das genau im Vergleich zu den bisherigen Geschäftsführungsaufgaben?

Susanne Slavicek (S): Da finde ich zwei Dinge entscheidend: Erstens übernehme ich die Administration für eine Übergangszeit und zweitens bietet die Abkoppelung der Admin-Tätigkeiten von der Geschäftsführung eine Chance zur Professionalisierung. Wir werden vermehrt auch eine KV-Auszubildende einsetzen, die einfachere Aufgaben übernehmen kann. Man könnte sagen, wir nutzen die Chance zur Weiterentwicklung. Egal, ob Verein oder Verband, man sollte sich immer wieder hinterfragen und optimieren.

D (lacht): Ja, das zeigt, dass der AGKV in Bewegung ist. Wichtig finde ich auch, dass sich in Zukunft die Vorstandsmitglieder des Kulturverbandes, alles Leute, die nah am Puls der Aargauer Kultur sind, vermehrt mit einbringen. Wir arbeiten, neben dem politischen Engagement, jetzt schon intensiv in verschiedenen Projektgruppen. Da geht es z.B. um die Evaluation und Herausgabe des Kulturmagazins AAKU oder um eine mögliche intensivere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Kunst. Aber da geht noch mehr, im «Kulturkanton Aargau» …

Mal ehrlich: Hat die persönliche Prioritätenverschiebung Deines Engagements auch mit der Situation im Kanton Aargau und spezifisch im Kulturbereich zu tun?

D: Zugegeben, der Kulturbegriff im Kanton Aargau wird sehr breit interpretiert. Ich habe den Eindruck, dass die Kulturbudgets schlecht geschützt sind und so manche sich dort «bedienen» möchten. Es kann doch beispielsweise nicht sein, dass vielerorts ein grosser Teil des Kulturbudgets in den Werkhof (z.B. für Festbänke oder Müllentsorgung) und damit wieder zurück zur Gemeinde fliesst!

Oder das Beispiel des Brugger Kulturhauses «Odeon», das erst kürzlich als neuer Leuchtturm abgelehnt wurde. Ein toller Kulturbetrieb, zu einem respektablen Teil wirtschaftlich effizient, mit einer Ausstrahlung, auch über die Kantonsgrenzen hinaus. Nach allem, was ich in den letzten zweieinhalb Jahren im Aargau gesehen habe, meine ich, es braucht wohl deutlich mehr Mittel für die Kultur – und wie es scheint, auch neue Verteilkonzepte.

Allgemein wird bei kulturellem Engagement immer von «Herzblut» gesprochen, aber kaum von finanzieller Fairness im Sinn eines Lohns. Meiner Meinung nach ist es hochriskant, mit Geldern im Kulturbereich zu «brösmelen», solang die Wertschöpfungskette nicht nachvollziehbar eruiert ist.

S (nickt zustimmend): Ja, wir sind genauso «die Wirtschaft» wie andere KMU, aber unter schwierigeren Voraussetzungen. Ich sage immer, uns, sprich den AGKV, braucht es genauso wie den Bauernverband. Wenn ich ein Ruebli esse, dann ist das subventioniert, und wenn ich ins Theater gehe, ist das Ticket subventioniert – wo ist der Unterschied und warum gibt das bei der Kultur immer zu Diskussionen Anlass?

Ihr habt grad beide Plädoyers für die Arbeit des Kulturverbandes gehalten. Der AGKV ist gut fünf Jahre alt – wo steht er Eurer Meinung nach in weiteren fünf Jahren?

D: In fünf Jahren sind wir vielleicht oder hoffentlich dort, wo der Bauernverband heute ist!

S: Das Ziel sollte sein, allgemein ein besseres Selbstbewusstsein zu erlangen. Das ist aber nicht nur die Arbeit des Kulturverbandes, sondern auch der Kulturschaffenden und der Kulturbetriebe. Die Kunst und Kultur muss von ihrer Systemrelevanz überzeugt sein, sich als Teil der Wertschöpfungskette sehen und dem entsprechend auch Forderungen stellen können. Der AGKV ist da ein wichtiges Sprachrohr und dient dazu, Kräfte zu bündeln.

D: Ich finde auch den integrativen Aspekt wichtig. Kultur will nicht nur schön sein, sondern auch verbinden.

S (kopfschüttelnd): Grad bei uns wird von Subventionsgebern soziales und nachhaltiges Handeln erwartet, dann sollte man es auch entsprechend würdigen. Aber es gibt immer noch zu viele Personen, die meinen, dass wir Kulturschaffenden alles aus «Herzblut» machen!

Warum sollten Kulturinstitutionen und Kunstschaffende im Kanton Aargau unbedingt dem AGKV beitreten?

S: Nur gemeinsam und gebündelt bringst du die Kraft zusammen, die es braucht.

D: Vielleicht merkt man nicht immer, was der Kulturverband macht, aber man würde es merken, wenn er es nicht mehr machen würde. Der AGKV ist wichtig, um kulturpolitisch Einfluss zu nehmen. Und er ist ein Instrument, um die ganze Kultur neben den Staatsbetrieben, also zum Beispiel gegenüber den Schlössern, dem Kunsthaus oder der Bibliothek, zu positionieren.

Habt ihr noch einen Weihnachts- oder Silvesterwunsch in Sachen Kultur

S: Ich möchte endlich einmal eine umfassende Wertschöpfungsanalyse des Kulturbereichs. Die könnte vom Kanton erstellt werden in Zusammenarbeit mit den Verbänden, vielleicht auch mit der Handelskammer und dem Tourismus.

In der heutigen Weltlage, wo so viel gegeneinander gemacht wird, ist es die Kultur, die uns zusammenbringt, die Gemeinsamkeit schafft, auch, wenn wir nicht der gleichen Meinung sind. Das Wichtigste ist doch, dass wir im Gespräch bleiben, dass wir uns nicht auseinanderdividieren, so, wie es gerade weltweit passiert.

D: Ja. Lebt Kultur! Alle miteinander. Sie ist ein wichtiger Pfeiler der Demokratie und des Friedens …

S: … und der Gesundheit.

Interview und Fotos Regula Laux

Daniel Hertli und Susanne Slavicek